Ein Fotograf geht in die Luft
 Auszug aus der F.A.Z. vom 31. August 2019


"Sogar im Dunklen leuchtete er, der schillernd rote Schriftzug vor dem imposanten Fotoatelier auf dem Boulevard des Capucines in Paris: Nadar. Ein Schriftzug, der damals, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, ein Versprechen war. Wer sich in diesem opulent eingerichteten Atelier fotografieren ließ, auf wessen Porträtbild das geschwungene N-Signet prangte, der durfte sich als Teil einer erlauchten Gesellschaft fühlen. Denn von Radar ließ sich die Prominenz aus Kunst und Kultur ablichten. 

 

[...] Bernd Stiegler, Literaturwissenschaftler und Experte in Sachen Fotografie, hat ein Buch vorgelegt, das auf den ersten Blick daherkommt wie eine Biographie des Jahrhundertfotografen Félix Nadar - der auch Karikaturist, Feuilletonist und Ballonfahrtpionier war -, auf den zweiten Blick aber genau das nicht ist und auch nicht sein soll. Zum einen deshalb, weil nicht allein Félix, sondern auch sein fünf Jahre jüngerer Bruder Adrien und sein 1856 geborener Sohn Paul am Ruhm des Namens Nadars mitwirkte, zum anderen, weil Stiegler einen spezifischen, kulturgeschichtlichen Ansatz verfolgt: Fotografien von Félix, Adrien und Paul Radar dokumentieren die Pariser Moder seit Mitte der 1850er Jahre, 'begleiteten ihre Verwerfungen und Transformationen, Visionen und Neuorientierungen und brachten sie in Bilder'. Diese Moderne am Beispiel der drei Nadars zu erkunden, ist Stieglers Anliegen."